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Freitag, 25. Oktober 2013

Thomas Thiemeyer – Das verbotene Eden

 


 Da steht nicht nur Dystopie drauf, da ist auch Dystopie drin






Mir geht es hier nicht um fachgerechte Rezensionen. Es ist ein Blog, der für alle die Freunde und Bekannten gedacht ist, die sonst stets und ständig meine Regale plündern und immer wieder nachfragen, was man denn mal lesen könnte. Deswegen werden in diesem Beitrag gleich sämtliche Bände der Trilogie „Das verbotene Eden“ beschrieben. Denn die sind Kopfkino vom Feinsten. Und um diesen Vergleich noch ein wenig zu strapazieren: Wer mich kennt und je mit mir im Kino war, weiß, dass ich der schlimmste Albtraum bin. Teert mich, federt mich und steinigt mich – ich liebe Popcorn, am besten eimerweise. Natürlich nur bei lauten Filmen, ich bin ja kein Unmensch. Aber manchen Menschen ist schon das zu viel. Wie auch immer: Band 1 „David und Juna“ ist feinstes Popcornkino. Gut gemacht, unterhaltsam, ein wenig zu perfekt. „Kann man, muss man aber nicht“, dachte ich zunächst. Band 2 „Logan und Gwen“ ist dagegen wie einer dieser Filme, bei dem man gutes Popcornkino erwartet, aber dann so mitgerissen wird, dass man das Essen vergisst und den halben Eimer der süßen Klebrigkeit hinterher in den Müll schmeißt. Wie einer dieser Filme, nach denen man das Kino verlässt und sich fragt, was das jetzt war und wie sie das wohl gemacht haben, dass man so die Zeit vergessen konnte. Bei dem es keine Längen gab und man ständig mit angehaltenem Atem verfolgt, was auf der Leinwand passiert. Ihr denkt, das ist nicht zu toppen? Für mich schon. Da gibt es noch eine Steigerung im Kino – und in der Trilogie auch. Band 3 „Magda und Ben“ ist wie einer der Filme, bei denen man nach wenigen Minuten die Popcorntüte unter dem Sitz vergräbt, es noch kurze Zeit länger aushält und dann seinen Nachbarn anmotzt, er solle bitte das Geraschel und Geschmatze sein lassen. Und bevor es zum echten Krieg kommt, verbrüdert man sich, denn man hält es vor Spannung kaum aus und braucht eine Hand, die man drücken kann oder auch einen Schoß, auf den man hüpfen darf, wenn es richtig gruselig wird.

Band 1: David und Juna


Eine Dystopie, die diese Bezeichnung verdient hat. Die Handlung des Romans beginnt 65 Jahre nach dem Zusammenbruch. Die Zivilisation, so wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Schuld ist ein manipulierter Impfstoff, der den Hass auf das andere Geschlecht schürt und dazu führt, dass Männer und Frauen verfeindet sind und Kriege gegeneinander führen. Sie leben in getrennten Lagern – die Frauen auf dem Land, die Männer bewohnen weiterhin die Städte. Zu Beginn der Handlung hat lediglich ein Zehntel der Erdbevölkerung überlebt, es gibt keinen Strom mehr und damit auch kaum noch technische Hilfsmittel, die das Leben erleichtern. Die Menschheit hat sich zurückentwickelt und wurde ins tiefste Mittelalter katapultiert.
Was mich zunächst entfernt an Robert Merles „Die geschützten Männer“ erinnerte, entwickelt sich zu einer besonderen Liebesgeschichte. Juna – 17 Jahre alt und Tochter der Hohepriesterin und David – ein Mönch, dessen Leidenschaft den Büchern gilt. Besonders hat es ihm die Geschichte von Romeo und Julia angetan, die Geschichte der größten Liebe aller Zeiten. Wo David bereits beginnt zu zweifeln, ob der Hass gegenüber den Frauen, den seine Kirche lehrt, wirklich gottgewollt sein kann, ist Juna noch gefangen in den Ansichten ihrer eigenen Kirche und findet kaum etwas abstoßender als Männer. Und natürlich wären sich David und Juna nie begegnet, wenn … Ja, wenn David nicht in Gefangenschaft der Frauen geriete und Junas Weltbild zum Bröckeln brächte.
Vorweg: Auch wenn die Rahmenhandlung konstruiert anmutet, so ist sie doch absolut glaubwürdig erzählt. Thiemeyer betreibt das „was wäre wenn Spiel“ mit Bravur. Er schafft eine postapokalyptische Welt, reichert sie mit Phantastik an und lässt mit jedem Satz, mit jedem Wort die Bilder im Kopf des Lesers wachsen.
Doch es sind genau die Bücher die fiesesten, die man zuschlägt und nicht weiß, was man davon halten soll. Ähnlich ging es mir bei diesem. Die Idee: einfach nur brillant. Der Stil: absolut in Ordnung. Der Roman ist handwerklich gut gemacht. Unglaublich viel Mühe hat sich der Autor mit dem Setting gegeben. Spannend erzählt er seine Geschichte. Nimmt Tempo an Stellen auf, die danach verlangen und drosselt die Geschwindigkeit, wenn notwendig. Der Plot sitzt, die Story und die Idee faszinieren. Und doch: Die Figuren sind für mich leider flach und beliebig geblieben. Richtig warm bin ich weder mit David noch mit Juna geworden. Das ist schade, denn sie hätten es verdient – die Geschichte hätte es verdient. Jedoch überkam mich beim Lesen immer wieder das Gefühl, dass da noch eine ganze Menge gegangen wäre, dass da unglaublich viel Potenzial verschenkt wurde. Dass da versucht wurde, alles richtig zu machen, mit dem Ergebnis, dass die beiden Protagonisten auf mich seltsam ausgebremst wirkten.

Band 2: Logan und Gwen


Der Krieg der Geschlechter geht weiter und fokussiert diesmal auf die Geschichte von Logan und Gwen. Gwen, die Heilerin und frühere Partnerin von Juna schließt sich den Kriegerinnen ihres Volkes an. Sie planen den Tod des Inquisitors und wollen damit den Krieg beenden. Logan ist ein typischer underdog. Aufgewachsen als Pflegesohn eines Schmiedes in einem Außenbezirk der Stadt, erringt er als Kämpfer einen Sieg in der Arena und ist fortan geachteter Champion seines Clans. Durch einen Zufall begegnen sich die beiden. Und nun beginnt eine wahrhaft große Geschichte, denn der Autor nimmt sich seiner Figuren an und lässt sie sich entwickeln. Absolut glaubwürdig und nachvollziehbar wie ich finde. Gwen liebte ich von Anfang an. Erst zickig und frustriert über Junas Flucht. Unsicher und niedergeschlagen über ihr Versagen als Heilerin, dann mutig und selbstbewusst. Klug und stark. Logan wiederum muss man einfach mögen. Er ist einer, der es faustdick hinter den Ohren hat, der nie das tut, was man von ihm vermutet. Der sich aufopfernd um seinen Bruder kümmert und der schlussendlich für Gwen und seine Liebe zu ihr kämpft. Und obwohl sich dieser zweite Band noch actionreicher als sein Vorgänger zeigt, wurde viel Liebe auf die Schilderung der Protagonisten verwandt. Keine Frage, dass nach diesem spannenden Roman auch der Abschlussband gelesen werden MUSSTE.

Band 3: Magda und Ben


Ich möchte es vorausschicken. Mit diesem dritten Band hat eine der besten Dystopien ihren Abschluss gefunden, die ich jemals gelesen habe. Die Handlung ist wundervoll durchdacht, intelligent konstruiert und eine perfekte Mischung aus Spannung, Romantik, Abenteuer und liebenswerten Protagonisten.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern beginnt dieser Roman kurz vor der Katastrophe. Magda und Ben sind ein Paar. Sie leben zusammen, genießen ihre Freizeit und führen ein unbeschwertes Leben. Nach dem Ausbruch eine Grippeepidemie sind sie gezwungen, sich dagegen impfen zu lassen – das Unheil nimmt seinen Lauf, der Wahnsinn eskaliert. Genauso, wie wir es aus den Andeutungen der ersten Bände erwarten. Und doch ganz anders. Doch viel schlimmer und grausamer und beklemmender. Geschickt führt uns Thiemeyer an den Anfang der Geschichte zurück, hält seine Versprechen und führt sämtliche Handlungsfäden zusammen, wenn er uns von Magda und Ben berichtet. Von ihrer Jugendliebe, von ihren getrennten Leben und Schicksalen. Sie – die oberste Heilerin der Frauen. Er – der Mann der Kirche. Entzweit durch eine Katastrophe, welche die gesamte Menschheit betrifft und durch die Schilderung von Einzelschicksalen wirklich nachdenklich stimmt. Thiemeyer beweist sich spätestens bei diesem Band als begnadeter Geschichtenerzähler. Als jemand, der die Normalität des Grauens zeichnen kann, die alltägliche Brutalität, die Feindschaft, die Macht der Information. Der dritte Band ist an Spannung kaum zu übertreffen. An intelligenter Spannung einerseits, so wohldurchdacht ist das Ausmaß der Katastrophe. Von Menschen verursacht, von Menschen erlitten. Alle sind Opfer, es gibt keine Gewinner. Immer wieder überrascht der Autor mit dramatischen Szenen, die mich keuchend an den Nägeln knabbern ließen. Und ja – auch diese Art von Spannung, die man bei deutschen Autoren im Jugendbuchbereich oft vermisst. Da stechen die Protagonisten zu, wenn sie ein Messer haben. Da wird getötet, gekämpft und verletzt und auch gestorben. Da wird das Fürchten gelehrt, da wird es brutal und gruselig und eklig. Da werden nicht die Augen zugemacht, da wird nicht ausgeblendet, sondern hingeschaut. Da werden alle Register gezogen. So muss das sein.  

Fazit: Ganz klare Leseempfehlung. Ich liebe spannende Bücher, ich liebe Jugendbücher. Aber vor allem liebe ich intelligente Unterhaltung. Und die habe ich hier bekommen. Es war ein Genuss!

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